Austria
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Wo der Regenbogen auf Widerstand stieß

© APA/EXPA/FLORIAN SCHROETTER

Das Justizministerium liefert einem queeren Forschungszentrum seine Akten, um herauszufinden, wer seit 1945 Reformen für Gleichberechtigung blockiert hat.

von Raffaela Lindorfer

Im Jahr 2002 zahlte man in Österreich schon mit Euro, das Internet breitete sich in den Haushalten aus, Rapper Eminem war an der Spitze der Charts. Bis zu dem Jahr mussten Männer fürchten, ins Gefängnis zu kommen, wenn ihr Partner noch knapp unter der Volljährigkeitsgrenze war. Ein Gesetz, das nur für Männer galt.

Österreich hinkt in Sachen Gleichstellung von LGBTQI (lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen und intersexuellen) Menschen hinterher. Warum das so ist, will Justizministerin Alma Zadić (Grüne) nun klären, wie sie im "Pride Month" Juni bekannt gab. Das queere Forschungszentrum QWIEN startet im Herbst eine Studie.

Das Justizministerium will sämtliche Dokumente seit 1945, die es zu dem Thema noch besitzt, liefern. Untersucht werden einerseits Rechtslage und Verurteilungen, man erhofft sich beim Aktenstudium aber auch Aufschluss über deren Hintergründe, sagt QWIEN-Co-Leiter Hannes Sulzenbacher. Etwa: Wer hat dazu beigetragen, dass bestimmte Gesetze einzementiert blieben, und damit Maßnahmen zur Gleichberechtigung verhindert? Es ist davon auszugehen, dass es Druck von Institutionen wie der Kirche gab – und dem geht man jetzt nach.

Hannes Sulzenbacher, Forschungszentrum QWIEN

© Bild: Dietmar Walser

Sulzenbacher interessiert auch, welche gesellschaftspolitischen Entwicklungen es parallel gab, wann sich Fenster für Veränderungen aufgetan haben und auch, wer diese befördert hat.

Sexualverbrecher

Der Kampf gegen Diskriminierung von LGBTQI-Personen sei zäh – das weiß Sulzenbacher aus eigener Erfahrung als Aktivist. Die SPÖ sei bei dem Thema schon früh aufgeschlossen gewesen, habe sich in Koalition mit der konservativen ÖVP aber kaum durchsetzen können (oder wollen).

Ein Beispiel: Nach dem Ende des NS-Regimes 1945 wurde das Verbot der "Unzucht mit Gleichgeschlechtlichen" fortgeführt. Homosexuelle, die aus den Konzentrationslagern befreit wurden, galten weiterhin als Sexualverbrecher. Eine Entschädigung bekamen sie – anders als andere KZ-Häftlinge – nie.

Obwohl bereits 1957 bei einem Konvent im Parlament die Abschaffung des Paragrafen 129 Ib paktiert wurde, setzte sie erst die SPÖ-Alleinregierung im Jahr 1971 durch. Bei der Abstimmung im Nationalrat blieben einige ÖVP-Abgeordnete sitzen und verweigerten damit die Zustimmung (siehe Faksimile). Mehr als 25.000 Männer waren bis dahin nach dem Paragrafen verurteilt worden.

Allerdings entstanden – gemäß der Vorstellung, Homosexualität "verderbe" die Jugend – vier neue Straftatbestände. So war "Werbung für gleichgeschlechtliche Unzucht" verboten – darunter konnten eine Aufklärungsbroschüre gegen AIDS oder pornografische Zeitschriften und Videos fallen. Ende der 1990er wurde auch dieser Paragraf abgeschafft.

Fast immer musste die heimische Politik dazu "gezwungen" werden, Diskriminierung zu beseitigen – sei es auf Druck der EU oder weil der Verfassungsgerichtshof Gesetze gekippt hat, schildert Sulzenbacher. Letzteres führte dazu, dass 2019 die Ehe für alle geöffnet wurde.

Das Forschungsprojekt im Auftrag des Justizministeriums bezeichnet er jedenfalls als "Meilenstein". Das Ergebnis solle auch zeigen, wo die Politik noch immer säumig ist – im Jahr 2023.

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